Wird die Grundversorgung für Verteilnetzbetreiber zu einem «verordneten» Verlustgeschäft?

Wird die Grundversorgung für Verteilnetzbetreiber zu einem «verordneten» Verlustgeschäft?

Neuregulierung der Grundversorgung im Kontext der starken Zunahme der dezentralen Einspeisungen 

«Verluste wegen überschüssigem Solarstrom»: So begründeten in den letzten Wochen mehrere Energieversorger einen Teil ihrer verschlechterten Ergebnisse 2024. Dieses Problem basiert auf der Abnahme- und Vergütungspflicht für Solarstrom durch die Verteilnetzbetreiber einerseits und der Marktpreisentwicklung mit zunehmend negativen Preisen andererseits. Mit dem neuen Stromgesetz, welches per 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist und ab 2026 neue Vorgaben für die Abnahme- und Vergütungspflicht und für die Grundversorgung mit Strom vorsieht, wird diese zentrale energiewirtschaftliche Herausforderung leider nur unzureichend adressiert. Aktuell bergen die Vorgaben für Grundversorger das Risiko systematischer Verluste. Die bisher eher attraktive Grundversorgung wird damit zunehmend zur Belastung.

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1. Einleitung

Mit dem rasch fortschreitenden Zubau von neuen erneuerbaren Energien, insbesondere von Solarenergie, ändert sich unser Stromsystem zunehmend. Die dezentralen Einspeisungen führen je nach Verbrauchssituation tagsüber und vor allem bei gutem Wetter zu deutlichen Überschüssen und entsprechend negativen Preisen am kurzfristigen Spotmarkt. So waren 2024 in der Schweiz bereits 292 Stunden bzw. rund 3% aller Stunden preislich negativ. Gleichzeitig haben die Grundversorger diesen überschüssigen Solarstrom nach den geltenden Vorgaben von Art. 15 Energiegesetz (EnG) abzunehmen und bisher zu den durchschnittlichen Beschaffungskosten zu vergüten. Dies führte 2024 nicht selten zu Situationen, in denen Grundversorger ihren dezentralen Produzenten bspw. noch attraktive 15 Rp./kWh für Solarstrom vergütet haben, obwohl sie gleichzeitig am Markt zu negativen Preisen von bspw. -5 Rp./kWh verkaufen mussten. Mit der Zunahme solcher Stunden und Einspeisemengen ist erkennbar, dass dies für die Grundversorger finanziell zu einem Problem führt.

Diese Problemstellung ist mittlerweile allgemein bekannt. Es wäre nun anzunehmen, dass das Problem mit dem neuen Stromgesetz, welches per 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist, entsprechend adressiert wird. Dem ist aber nicht so. Im Gegenteil: Mit der neuen Regulierung der Grundversorgung in Art. 6 Stromversorgungsgesetz (StromVG) wird beabsichtigt, die Grundversorgungstarife basierend auf Gestehungskosten der Eigenproduktion, mittels Langfristverträgen sowie mit einer langfristigen Beschaffungsstrategie möglichst tief [1] und stabil zu halten. Diesem gesetzgeberischen Wunsch ist per se nichts entgegenzuhalten. Nur darf dabei die energiewirtschaftliche Realität nicht ausgeblendet werden. In der aktuellen Umsetzung auf Stufe der Stromversorgungsverordnung (StromVV) und der Auslegung des neuen Rechts durch das Bundesamt für Energie (BFE) und die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) scheint die neue Marktdynamik aber nicht vollständig anerkannt zu werden. Die bisher publizierten Erläuterungen und Weisungen verkennen die energiewirtschaftlichen Realitäten und führen dadurch für die Grundversorgung zu erheblichen Herausforderungen in der konkreten Erfüllung der Beschaffungsvorgaben einerseits und zu damit verbundenen finanziellen Risiken andererseits. Nachstehend werden die einzelnen Problemfelder und mögliche Lösungsansätze dargestellt.

2. Zuweisung der erweiterten Eigenproduktion auf die Grundversorgung

Ab 2026 bestehen für die Grundversorgung nach Art. 6 Abs. 5 StromVG sogenannte Mindestanteile, welche die Verteilnetzbetreiber einzuhalten haben:

  1. Der Mindestanteil 1 definiert, dass mindestens 50% des Stroms aus der sog. «erweiterten Eigenproduktion» [2] aus erneuerbaren Energien aus dem Inland in der Grundversorgung abgesetzt werden muss. Eine Unterschreitung ist nur zulässig, wenn damit mindestens 80% der gesamten Grundversorgungsmenge abgedeckt wird;
  2. Der Mindestanteil 2 definiert, dass mindestens 20% der Grundversorgung aus erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen aus dem Inland stammen müssen. Wird dieser Anteil vom Grundversorger nicht erfüllt, so ist er zum Abschluss langfristiger Bezugsverträge mit Schweizer Produzenten verpflichtet. [3]

Während der Mindestanteil 1 insbesondere für Grundversorger mit hoher Eigenproduktion im Vordergrund steht, ist der Mindestanteil 2 für alle Grundversorger mit keiner oder geringer Eigenproduktion entscheidend. Die Anteile werden basierend auf Jahresproduktions- und Verbrauchsmengen berechnet und jährlich im Rahmen der Tarifkalkulation festgelegt. Die dezentral abgenommene und vergütete erneuerbare Energie zählt ebenfalls zur Erfüllung dieser beider Mindestanteile dazu. [4]

Die erste wesentliche Auslegungsdifferenz entsteht nun bereits bei der Definition der «erweiterten Eigenproduktion». Diese hat der Gesetzgeber im Rahmen der Legaldefinition in 4 Abs. 1 lit. cbis StromVG nicht auf das Inland und nicht auf die erneuerbare Energie eingeschränkt. Damit klafft im Fall von Grundversorgern mit Kraftwerken oder Beteiligungen im Ausland, bei Beteiligungen an Kernkraftwerken oder bei Blockheizkraftwerken die Definition der anrechenbaren Mengen und die Definition der Kosten bereits an diesem Punkt auseinander. Dies macht jedoch energiewirtschaftlich und wohl auch gesetzessystematisch in keiner Weise Sinn. Eine Anrechnung von Mindestanteilen festzulegen und dann die Anrechnung dieser mit Kosten aus anderen, gar ausländischen Kraftwerken vorzugeben, war kaum je der Wille des Parlaments. Sowohl das BFE als auch die ElCom vertreten jedoch die Meinung, dass dies der Wille des Gesetzgebers war. Art. 4 Abs. 3 lit. c StromVV besagt dementsprechend, dass es bei der Ermittlung der durchschnittlichen Gestehungskosten aus eigenen Anlagen und aus beteiligungsbedingten Bezügen unerheblich sei, ob die erzeugten Elektrizitätsmengen in der Grundversorgung oder anderweitig abgesetzt werden. In der Praxis würde dies – insbesondere auch beim Einbezug ausländischer Kraftwerken oder Beteiligungen ohne jeglichen Bezug zum Territorium Schweiz – zu besonders absurden Ergebnissen führen.

Hinsichtlich des Mindestanteils 1 haben nun die Grundversorger mit erheblicher Eigenproduktion ihre Quote für 2026 erstmals festzulegen. Die ElCom hat in ihrer Mitteilung vom 4. März [5] fünf Grundsätze festgehalten:

  1. Der Mindestanteil 1 muss jährlich, jedoch nicht zu jedem Zeitpunkt erfüllt sein (bilanzielle Betrachtungsweise);
  2. Unterjährige, willkürliche Optimierungen zu Lasten der Grundversorgung sind nicht erlaubt;
  3. Bei objektiver Unmöglichkeit der Erfüllung ist eine Unterschreitung zulässig;
  4. Der Grundversorgung dürfen nicht grössere Energiemengen zugewiesen werden, als dort tatsächlich verbraucht werden;
  5. Verkäufe dürfen in den anrechenbaren Energiekosten nicht zu Lasten der Grundversorgung berücksichtigt werden (keine Nettobetrachtung).

Die ElCom will damit richtigerweise einseitige bzw. missbräuchliche Zuweisungen zur Grundversorgung verhindern. Dabei zeigen die Grundsätze aber auch das neue Spannungsfeld der Grundversorgung mit Eigenproduktion auf. Die Betrachtung soll offenbar rein jährlich und bilanziell als Grundlage für die Tarifierung erfolgen. Die effektive energiewirtschaftliche Situation würde damit – trotz der Trennung der Portfolien und der damit verbundenen direkten Zuweisung – weiterhin keine Rolle spielen. Dies ist aus Sicht des Autors grundsätzlich falsch und vor dem Hintergrund der stark wachsenden dezentralen Einspeisungen zunehmend auch nicht mehr tragbar. Konkret ist Grundsatz 4, wonach nicht grössere Energiemengen der Grundversorgung zugewiesen werden, als dort tatsächlich verbraucht werden, zwar im Grundsatz richtig, jedoch aufgrund der Produktions- und Verbrauchsstruktur unter Berücksichtigung der dezentralen Einspeisungen insbesondere im Sommer zunehmend nicht mehr vermeidbar. Diese sog. «Long»-Positionen einfach mit «Short»-Positionen in Winter zu «verrechnen», ist zwar theoretisch und vereinfachend möglich, energiewirtschaftlich und vor allem finanziell nicht sachgerecht. Noch weniger sachgerecht ist es, solche «Long-Positionen», die ein Grundversorger quo seiner gesetzlichen Abnahmepflicht nicht gänzlich vermeiden kann, einfach ihm anzulasten. Damit verbunden ist der Grundsatz 5, wonach keine «Verkäufe» in die Betrachtung der Grundversorgung einbezogen werden sollen. Dieser Ausschluss begründet die ElCom alleine mit dem Wortlaut von Gesetz und Verordnung, wonach eine reine «Kostenbetrachtung» vorgesehen sei. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, dass zur Sicherstellung der fortlaufenden Ausgeglichenheit von Produktion und Beschaffung mit dem Verbrauch im neu getrennten Portfolio der Grundversorgung punktuell auch Verkäufe notwendig sind und damit entsprechende Mehrerträge oder -kosten berücksichtigt werden müssen. Gerade diese sind ja die Kostenfolgen einer zunehmend volatilen dezentralen Produktion von erneuerbarer Energie. Eine Auslegung, dass nur Kosten als solche gelten, welche direkt aus einer Beschaffung resultieren, während Kosten, welche aus dem notwendigen Absatz zu negativen Preisen oder zur tieferen Preisen entstehen, nicht als Kosten betrachtet werden, mutet doch ziemlich abenteuerlich an.

Dies auch gerade vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber ja eine langfristige strukturierte Beschaffung am Terminmarkt über drei Jahre im Voraus vorschreibt (Art. 4c StromVV). Eine solche Beschaffungsstrategie ist aufgrund des Kaufs von Jahres- oder Quartalsprodukten unter Berücksichtigung von Marktliquidität, der effektiven Eigenproduktion sowie der steigenden Einspeisungen fast immer auch mit Verkäufen verbunden. Selbst ohne Überschussmengen aus erneuerbarer Energie besteht dieses Problem bei reinen Beschaffungsstrategien schon heute und ist – und bleibt offenbar – ein Streitpunkt mit der ElCom. Hier nur einseitig Käufe zur Anrechnung zuzulassen, aber beschaffungsnotwendige Verkäufe auszuklammern, führt entweder zu Verlusten beim Grundversorger bei der Erfüllung seines gesetzlichen Versorgungsauftrages oder dazu, dass Versorger künftig nur noch ein Minimum im Voraus beschaffen und den Rest am Spotmarkt kurzfristig verhältnismässig teuer eindecken. Beides ist nicht im Sinne des Gesetzgebers. Dabei ist klar: Mit dem Vorteil stabiler und aktuell eher sinkender Tarife dank der Zuweisung der Gestehungskosten von Eigenproduktion in die Grundversorgung sind gleichzeitig Kosten des Portfolioausgleichs verbunden. Das eine zu verordnen, jedoch die damit verbundenen Folgekosten nicht vollständig zuzulassen, dürfte kaum gesetzeskonform sein.

Dabei wäre die Lösung klar: Die Grundversorger müssen im Rahmen der Trennung ihrer Beschaffungsbücher auch die Zuweisung der Eigenproduktion, der Langfristverträge sowie den dezentralen Einspeisungen lastgangbasiert vornehmen (d.h. nicht in Prozent einer Jahresmenge, sondern in Prozent eines Produktions- bzw. Beschaffungsprofils). Damit wird eine profilscharfe Zuweisung der anteiligen «erweiterten Eigenproduktion» ins Portfolio ermöglicht und der Ausweis der notwendigen Spotbeschaffungsmengen, der Spotverkäufe der zeitlich begrenzten Überschüsse sowie der effektiv verursachten Ausgleichsenergie sichergestellt. Es gibt objektiv keinen Grund, den Grundversorgern eine energiewirtschaftlich sachgerechte und vollständige Portfoliotrennung zu untersagen, bzw. im Falle einer solchen dann die vollständig nachweisbaren Kosten (unter Abzug allfälliger Erlöse) nicht zur Anrechnung zuzulassen. Dies entspricht auch der gesetzlichen Vorgabe von Art. 5bis lit. b StromVG. Es muss lediglich ein diesbezügliches missbräuchliches Verhalten ausgeschlossen werden. Gleichzeitig können vereinfachte, jährliche Zuweisungen, beispielsweise bei Grundversorgern mit geringer Eigenproduktion und begrenzten Einspeisungen im Verhältnis zur Grundversorgung, sofern sachgerecht und nachweisbar, weiterhin erlaubt bleiben.

3. Abnahme- und Vergütungspflicht

Ein weiteres Handlungsfeld für sämtliche Verteilnetzbetreiber ist und bleibt die Abnahme- und Vergütungspflicht nach Art. 15 EnG. Diese bleibt im Grundsatz wie heute bestehen, wird aber ab 2026 gemäss Art. 15 Abs. 1bis EnG neu auf den sogenannten quartalsweisen Referenzmarktpreis unter Berücksichtigung von Minimalvergütungen für Anlagen unter 150kW angepasst. Der Gesetzgeber hat sich damit eine schweizweite Vereinheitlichung der bisher sehr unterschiedlichen Rückliefertarife einerseits und eine stärkere Marktpreisorientierung andererseits versprochen. Hier bestehen zwei Problemstellungen: Einerseits bleibt es den Netzbetreibern offen, ihren Einspeisern auch andere Vergütungen anzubieten (Art. 15 Abs. 1 EnG). Andererseits ist klar, dass ein Durchschnittspreis von Marktpreisen eines Quartals zwar ein Marktpreis darstellt, jedoch keinerlei Anreize zur Optimierung der Einspeisung bzw. zum Eigenverbraucher bietet, da die sich aus Angebot und Nachfrage ergebenden Preissignale nicht bei den Prosumern ankommen und obendrauf eine Mindestvergütung garantiert wird. Die daraus resultierenden Kosten aus Energiebeschaffung und Netzausbau werden der Gesamtheit angelastet.

Der Möglichkeit, dass Netzbetreiber ihren Einspeisern andere Vergütungen anbieten können und auch Produzenten frei sind, ihren Strom zu veräussern, ist aus Marktsicht nichts entgegenzusetzen. Da nun aber die ausbezahlten Rückliefervergütungen bei den Netzbetreibern direkt zu anrechenbaren Beschaffungskosten in der Grundversorgung werden können (Art. 6 Abs. 5bis lit. d Ziff. 3 StromVG), stellt sich automatisch die Frage der Anrechenbarkeit. Dabei hat der Bundesrat in Art. 4 Abs. 3 lit. e StromVV eine Begrenzung der Anrechnung eingeführt, welche sich nun wiederum auf die Ausgestaltung der Vergütung auswirken dürfte. Konkret erlaubt er den Grundversorgern nur die Anrechnung des Referenzmarktpreises bzw. der entsprechenden Minimalvergütung nach Art. 15 Abs. 1bis EnG, sofern kein Herkunftsnachweis abgenommen wird. Letzterer ist aber sowohl für die Produzenten als Zusatzvergütung und für die Grundversorgung aufgrund der vorstehend behandelten Mindestanteile für erneuerbare Energie aus der Schweiz sowie für die Erreichung der vorgegebenen Produktqualität im Standardstromprodukt (Art. 4b StromVV) wichtig. Eine Abnahme und Vergütung ohne Herkunftsnachweise dürfte also weder im Sinne der Produzenten noch der Grundversorger (und auch nicht der Politik) sein. Nimmt indes der Grundversorger dem Produzent den Herkunftsnachweis ab, so soll die Anrechenbarkeit aufgrund der jeweiligen Förderansätze für PV-Anlagen abhängig vom Baujahr, von der Anlagengrösse und vom Eigenverbrauch begrenzt werden. So wären bspw. die Anrechnung von Rückliefervergütungen für Anlagen unter 100kW mit Eigenverbrauch die Anrechnung auf 10.9 Rp./kWh inklusive Herkunftsnachweis begrenzt. Die Begrenzung sinkt mit zunehmender Anlagengrösse und je nach Baujahr und Eigenverbrauch auf bis 5.4 Rp./kWh ab. Höhere Vergütungen wären demnach möglich, jedoch vom Netzbetreiber nicht mehr in der Grundversorgung als Beschaffungskosten anrechenbar.

Diese Regelung führt nun dazu, dass sich Grundversorger, welche den gesetzgeberischen Willen einer einheitlichen, marktpreisorientierten Vergütung ab 2026 umsetzen und gleichzeitig jedoch den Herkunftsnachweis auch abnehmen, einem Risiko nicht anrechenbarer Kosten aussetzen. Dieses Risiko ist aufgrund der Marktpreissituation und der ganzjährigen Betrachtungsweise zwar aus heutiger Sicht gering, aber dennoch vorhanden, wenn die kurzfristigen Marktpreise wieder einmal stark ansteigen sollten. Daher werden wir auch im 2026 zahlreiche Grundversorger sehen, welche ihren Kunden fixe und nicht marktpreisabhängige Rückliefervergütungen anbieten werden. Dies ist – wie einleitend beschrieben – gerade im Kontext stark steigender Solarüberschüsse und negativer Preise nicht nachhaltig und letztlich eine aus Sicht des Autors rechtlich nicht begründbare Umverteilung zwischen Produzenten und gefangenen Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung.

Dabei liegen auch hier die Lösungen eigentlich auf dem Tisch: Die Anrechnung von marktbasierten Rückliefervergütungen zuzüglich einer angemessenen Entschädigung für den Herkunftsnachweis ist ohne Begrenzung zuzulassen. Da für Herkunftsnachweise keine liquiden Marktpreise bestehen, kann sich eine allenfalls notwendige Begrenzung auf deren Höhe (z.B. 2 Rp./kWh) beziehen. Aufgrund der ab 2027 anstehenden Quartalsdeklaration ist es mittelfristig sowieso fraglich, ob ein Grundversorger gewillt ist für Herkunftsnachweise, welche im Sommer anfallen, übermässig viel zu bezahlen. Und weiter wären anstelle von quartalsweiser Referenzmarktpreise die effektiven Marktpreise zu vergüten. Für die Grundversorgung führt dies aus Sicht der Beschaffungskosten zu keiner relevanten Differenz, für die Einspeiser werden dadurch aber die so wichtigen, bisher fehlenden Anreize zur Optimierung der Einspeisung gesetzt. Damit würde ein aktiver Beitrag zur Reduktion der Mittagsspitzen und damit gegen die negativen Preise geleistet. Dies hat der Nationalrat erkannt und eine entsprechende Gesetzesanpassung von Art. 15 Abs. 1bis EnG als Erstrat beschlossen. [6] Nun ist es am Ständerat, diese Lösung zu prüfen und im Rahmen der Sommersession als Teil des Beschleunigungserlasses zu bestätigen.

4. Minimierung des Gewinns in der Grundversorgung

Last but not least bleibt die nun mit Art. 4 Abs. 3 lit. a Ziff. 5 StromVV vom Bundesrat beschlossene Minimierung des Gewinns in der Grundversorgung. Bisher war es aufgrund der ElCom Praxis möglich, in der Grundversorgung trotz zunehmend reduzierter Bruttomargen pro Rechnungsempfänger [7] dennoch angemessene Gewinne zu erzielen. Nun wird jedoch für einen Grundversorger ohne relevante Eigenproduktion der Gewinn auf die minimale Verzinsung des Nettoumlaufvermögens beschränkt. Bei vielen betroffenen Unternehmen führt dies zu einer sehr wesentlichen Erlös- bzw. Gewinneinbusse, welche sich ab 2026 manifestieren wird. [8] Demgegenüber profitieren Grundversorger mit Eigenproduktion immerhin von der Anrechenbarkeit der Gestehungskosten inklusive Kapitalverzinsung, gerade auch in absehbaren Phasen mit tiefen Strommarktpreisen. Für einen reinen Grundversorger ohne relevante Eigenproduktion stellt sich damit zunehmend die Frage, wie die Grundversorgung noch finanziell tragbar ausgestaltet werden soll. Finanzielle Risiken bzw. Verluste infolge der oben dargestellten Regulierungsvorgaben zu tragen und gleichzeitig keinen angemessenen Gewinn mehr erzielen zu können führt dazu, dass der Grundversorgungsauftrag zur Hypothek werden kann. Ob dies noch konform mit der Vorgabe eines angemessenen Gewinns nach Art. 5bis lit. d StromVG ist, kann zumindest in Frage gestellt werden. Dabei zeigt sich klar: Verteilnetzbetreiber mit hoher Eigenproduktion und einer Grundversorgung stellen sich aufgrund der damit verbundenen Absicherung zu Gestehungskosten inklusive Kapitalverzinsung vergleichsweise besser als Verteilnetzbetreiber ohne eigene Anlagen. Für Letztere gilt es zunehmend zu prüfen, ob der Grundversorgungsauftrag noch tragbar ist und inwiefern auch andere Lösungen, beispielsweise entsprechende Kooperationsmodelle, die Tragbarkeit verbessern können. Alleine die mit der Portfolio-Trennung und den zusätzlichen Vorgaben zur Beschaffung verbundenen Kosten führen letztlich dazu, dass kleine Grundversorger sich solche Gedanken machen müssen.

Es bleibt abzuwarten, inwiefern die dargestellten Herausforderungen im Gespräch mit dem BFE und der ElCom konstruktiv gelöst werden können oder notfalls über Gerichte geklärt werden müssen. Parallel dazu wird sich zeigen, wie die künftige Grundversorgung als Teil eines offenen Strommarktes im Rahmen des Stromabkommens mit der EU ausgestaltet werden soll. Aufgrund der bisherigen Leidensgeschichte der Regulierung der Schweizer Grundversorgung bleibt zu hoffen, dass wir den Weg zu einem liberalisierten und auf energiewirtschaftlichen Prinzipien aufgebauten Strommarkt rasch finden werden. Die dynamische Marktentwicklung wird den Druck aufrechterhalten und Antworten erforderlich machen.


 

Verweise

Bildnachweis: Pixabay, StockSnap

[1]      Ob dies gelingt hängt letztlich stark von der Marktpreisentwicklung ab und wird vorliegend nicht weiter diskutiert.

[2]      Als «erweiterte Eigenproduktion» gilt gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. cbis StromVG: Elektrizitätsproduktion aus eigenen Anlagen und aufgrund von Bezügen, die auf Beteiligungen beruhen; gleichgestellt ist Elektrizität aufgrund der Abnahmepflicht nach Artikel 15 EnG. Bei Bezügen aus Beteiligungen gilt eine funktionale Betrachtung. Die rechtliche Verselbstständigung ist dabei unerheblich (Weisung ElCom 4/2025).

[3]      Die ElCom gewährt den Grundversorgern zur Vermeidung von Verlusten aus Rückverkäufen für die Erfüllung der Mindestquote 2 eine Übergangsfrist von zwei Jahren. Ab 2028 muss die Vorgabe vollständig erfüllt sein. Während der Übergangsfrist kann die Erfüllung mittels Zukauf von Herkunftsnachweisen erfolgen. Aus Sicht der ElCom – entgegen den Erläuterungen des BFE – sieht das Gesetz dabei eine klare Priorisierung in der Zuweisung vor: zuerst die erweiterte Eigenproduktion und erst wenn diese nicht ausreicht langfristige Bezugsverträge.

[4]      Gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. cbis StromVG gleichgestellt mit der «erweiterten Eigenproduktion»; erneuerbar sofern die entsprechenden Herkunftsnachweise abgenommen werden.

[5]      Vgl. ElCom (2025) Mindestanteil der erweiterten Eigenproduktion aus inländischen erneuerbaren Energien in der Grundversorgung (Mindestanteil 1): Präzisierungen; Mitteilung vom 4. März 2025.

[6]      Parlament (2025) Energiegesetz. Änderung (Beschleunigungserlass) 23.051; Beschluss vom 4. März 2025.

[7]      Von anfänglich CHF 95 über CHF 75 bis aktuell auf noch CHF 60 pro Rechnungsempfänger (vgl. Weisung 3/2022).

[8]      Wobei dies direkt von der Kostenstruktur des Grundversorgers abhängt. Unternehmen, welche mit den CHF 60 keine volle Kostendeckung mehr realisieren konnten, dürften die Aufhebung dieser Aufgreifgrenze entsprechend positiver beurteilen.