Die Renaissance der «guten alten» Langfristverträge?

Die Renaissance der «guten alten» Langfristverträge?

Unsere Einschätzung zur Relevanz von Power Purchase Agreements (PPA)

Ende September hat das Parlament im Rahmen des sog. «Mantelerlasses» auch die Revision von Art. 6 Abs. 5 StromVG beschlossen.(1) Mit dieser ab 1. Januar 2025 geplanten Gesetzesänderung sollen Stromversorger mit Grundversorgungsauftrag neu verpflichtet werden, eine Mindestquote an Eigenproduktion für die Grundversorgung einzusetzen. Wird diese nicht erreicht, so soll die Quote mit «langfristigen Bezugsverträgen» erreicht werden. Mit dieser Bestimmung erhalten langfristige Power Purchase Agreements (PPA) für die Schweizer Endverteiler eine neue Relevanz. In diesem Beitrag gehen wir auf die Funktionsweise von PPAs und deren Ausgestaltungsvarianten ein und stellen diese in den Kontext zum Ausbau im Inland.

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1. Was ist ein Power Purchase Agreement (PPA)?

Ein PPA ist ein üblicherweise langfristiger Energieliefervertrag zwischen zwei Parteien, in der Regel einer Stromproduzentin und einer Stromabnehmerin, der die Bedingungen für den Kauf und Verkauf von vornehmlich erneuerbarer Energie (Wasser-, Solar- und Windenergie) regelt. Im Grundsatz ist ein PPA jedoch technologieneutral, kann daher auch die Lieferung von anderen Kraftwerkstypen beinhalten.

Stromproduzentin und Energielieferantin («Generator») ist klassischerweise ein Energieversorgungsunternehmen (EVU) mit eigenem Kraftwerkspark, welches einen Teil seiner Long Position durch den Verkauf ggü. Dem Markt absichert. Es kann sich jedoch auch um eine Kraftwerksprojekt-Entwicklerin oder eine unabhängige Stromproduzentin im Bereich der erneuerbaren Energien handeln, welche durch den frühzeitigen Verkauf von Kraftwerkskapazitäten die notwendige Planungssicherheit erhält und dadurch Kapital- und Finanzgeber für die Projektfinanzierung erhält. In der Schweiz sind bspw. entsprechende Vertragsverhandlungen aktuell im Kontext alpiner Solaranlagen zu beobachten. Stromabnehmerin («Offmaker») ist beispielsweise eine grössere kommerzielle Kundin, ein energieintensives Verkehrs-, Infrastruktur- oder Industrieunternehmen oder ein anderes EVU, welches über wenig Eigenproduktion verfügt.

Das PPA legt den Preis und die Menge des zu liefernden Stroms über die Dauer der Vereinbarung sowie alle anderen Bedingungen des Verkaufs fest. Der vereinbarte Preis kann über die Laufzeit des PPA fest, indexiert oder variabel ausgestaltet sein oder eine Kombination von mehreren Preismechanismen beinhalten. Der Preis kann bspw. auch auf Marktpreisen oder einem ausgehandelten kostenbasierten Ansatz basieren. Die Dauer der Vereinbarung kann für einen kurzen Zeitraum, typischerweise jedoch über 10 bis 20 Jahre oder für die komplette Nutzungsdauer des Kraftwerks ausgestaltet sein. Da es sich um einen bilateralen Vertrag zwischen zwei Parteienhandelt, kann ein PPA viele Formen annehmen und auf die Bedürfnisse des jeweiligen Vertragspartners abgestimmt werden. Dies kann unter Umständen zu komplexen Vertragswerken führen. Charakteristisch für PPAs sind die Modalitäten der Energielieferung als solches. Die Lieferung kann einem fixen Band oder einem Produktionsprofil eines Kraftwerks entsprechen und mit vergleichsweise langen Laufzeiten die Risikoverteilung hinsichtlich Mengen- und Preisrisiken zwischen den Vertragspartnern massgeblich beeinflussen. Letztlich hat die Aufteilung dieser Risiken direkten Einfluss auf den Vertragspreis.

Wichtig und erwähnenswert ist, dass die europäische Strombörse EEX am 27. September 2021 die Anzahl der handelbaren jährlichen Fälligkeiten für deutsche, italienische und spanische Stromterminprodukte (Futures) von sechs auf zehn Kalenderjahre erweiterte (siehe Abbildung unten). Diese Erweiterung ermöglicht es den Kunden gestützt auf täglich veröffentlichte Abrechnungspreise ihr Preisrisiko bis zu 10 Jahre im Voraus abzusichern, was die Absicherung von PPAs an der Börse und somit die Integration von erneuerbaren Energien in den Strommarkt fördern soll.(2) Inwiefern diese Absicherungen funktionieren, wird sich infolge der beschränkten Marktliquidität noch weisen müssen. Vorliegend werden daher insbesondere längerfristige PPA mit mehr als 10 Jahren Laufzeit als Äquivalent zum Aufbau von Eigenproduktion thematisiert (15, 20 oder mehr Jahre).

Abb_1_PPA

Abbildung 1 – EEX: Vergleich PPA Cal +10 mit bisherigen Stromprodukten

2. Welche Arten von PPA gibt es?

Da längerfristige PPA – wie bereits erwähnt – sehr individuellen Charakter haben, besteht keine abschliessende Aufzählung von Arten von PPA. Die gängige Praxis lässt aber – auch mit Blick auf Europa – gewisse gängige Typen erkennen.

Mit physischen und virtuellen resp. synthetischen PPA haben sich zwei Grundvarianten herausgebildet. Während bei einem physischen PPA der Betreiber des Kraftwerks den produzierten Strom zu einem festgelegten Preis entweder per Direktleitung (on‐site PPA; z. B. Solarpaneele auf dem Dach einer Fabrik, welche zugleich Verbrauchsstätte ist und das Recht auf Eigenverbrauch vor Ort hat) oder via das Stromnetz (off-site PPA; z.B. alpine Solaranlage zum Abnehmer im Mittelland) zum Kunden liefert, ist hingegen ein virtueller PPA ein reines Finanzgeschäft, bei welchen primär die Herkunftsnachweise übertragen werden. Die produzierte Energie wird dann in einem anderen Markt verkauft. Dabei regelt der PPA den monetären Ausgleich zwischen erzielten und verhandelten Preisen. Die synthetische Form des PPA unterliegt einer latent schwächeren Glaubwürdigkeit gegenüber der physischen Form, da der Handel ausschließlich auf der Übertragung der Herkunftsnachweisen sowie wie einem Finanzausgleich beruht. Allerdings haben synthetische PPA durchaus ihre Daseinsberechtigung, spielen sie bei komplexeren transnationalen Beschaffungsstrategien eine wichtige Rolle und sorgen am Ende gleichwertig wie ein physischer PPA für die (kostendeckende) Finanzierung einer Kraftwerksanlage.

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Abbildung 2 - Vergleich verschiedener Arten von PPAs

Bezüglich der preislichen Mechanismen stehen vier Varianten im Vordergrund:

  • Fixed-Price PPA: In diesem Vertragstyp wird der Preis für den Strom, der geliefert wird, für die gesamte Dauer der Vereinbarung festgelegt. Der Preis bleibt unabhängig von Marktschwankungen gleich, was für den Stromerzeuger und den Stromabnehmer Planungssicherheit bietet.
  • Indexed PPA: In diesem Vertragstyp wird der Strompreis anhand eines festgelegten Indexes festgelegt, z.B. des Marktpreises für Strom oder eines anderen Finanzprodukts. Der Preis kann sich im Laufe der Zeit ändern, um Schwankungen des Indexes, resp. der Anbindung widerzuspiegeln. Ein indexierter Preis muss dabei nicht 1:1 einem Marktpreis entsprechen, sondern kann eine Marktpreisentwicklung auch nur abgeschwächt auf einen vertraglichen Preis wirken lassen. Ergänzungen mit «Floors» und «Caps» und somit zahlreichste Preisvarianten sind dabei denkbar.
  • Revenue PPA: Bei diesem Vertragstyp teilt der Stromerzeuger und der Stromabnehmer das Risiko und den Gewinn aus dem Verkauf des erzeugten Stroms. Der Strompreis wird variabel gehalten, abhängig von den Marktpreisen oder anderen Faktoren, und der Erzeuger und der Abnehmer teilen sich den erzielten Gewinn oder das verursachte Risiko. Diese Abbildung ist oft mit steuerrechtlichen Schranken verbunden.
  • Contract-for-Difference (CFD) PPA: Ist eine Sonderform eines Revenue PPA, bei dem der Strompreis basierend auf der Differenz zwischen dem Marktpreis und dem vereinbarten Preis festgelegt wird. Wenn der Marktpreis über dem vereinbarten Preis liegt, zahlt der Abnehmer den Unterschied an den Erzeuger. Wenn der Marktpreis unter dem vereinbarten Preis liegt, zahlt der Erzeuger den Unterschied an den Abnehmer. In der Schweiz soll nach diesem Prinzip ab 2025 neu die «gleitende Marktprämie» eingeführt werden, welche faktisch ein CFD zwischen Produzent und dem Bund darstellt.
     

3. Was sind die Motive für das Eingehen eines PPA?

Aufgrund der vielseitigen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Verträge gibt es sowohl bei den Erzeugern als auch bei den Energieabnehmern verschiedene Beweggründe für einen PPA. Zu den häufigsten gehören die Refinanzierung einer Neu-Investition in eine Kraftwerksanlage oder die Anschlussfinanzierung einer auslaufenden Kraftwerksanlage, bspw. auch im Rahmen einer beabsichtigten Konzessionsverlängerung. Die verbindliche langfristige Abnahmeverpflichtung der produzierten Energien soll eine kostendeckende Investitionsfinanzierung ermöglichen und zugleich die Abhängigkeit von Marktpreisen und Förderregimen reduzieren. PPAs dürften insbesondere in Zusammenhang mit der Realisierung und Finanzierung von alpinen Solaranlagen und Windparks somit eine absolut entscheidende Rolle übernehmen. Im Kern garantieren langfristige PPAs für beide Vertragsparteien eine Absicherung gegen schwankende Strompreise, erhöhen die Planbarkeit und die vollständige Verwertung der produzierten Energie. Dies gilt auch im Kontext der Versorgungssicherheit sowie der Forcierung des Zubaus im Inland.(3)

Wichtig erscheint uns auch der Aspekt, dass sich durch einen PPA grössere Endkunden direkt und unter Ausklammerung mehrerer Wertschöpfungsstufen (Wegfall von Handelsmargen) mit erneuerbarer Energie eindecken können. Vermehrt interessieren sich institutionelle Kunden und Unternehmen im Zuge ihrer Nachhaltigkeitsziele verstärkt für eine zuverlässige Co2-arme Versorgung mit erneuerbarer Energie. Bspw. hat Nestle mit Axpo im Jahr 2022 ein 5-jähriges PPA über 100 GWh pro Jahr abgeschlossen.(4)

Aus Sicht eines Endverteilers stellen PPAs ein viertes Standbein der Energiebeschaffung, neben der Eigenproduktion (u. a. Partnerwerke), Übernahme von Rückliefermengen und der Marktbeschaffung, dar. Ein Beispiel hierfür ist der PPA zwischen der Azienda Elettrica Ticinese (AET) als Produzentin und dem Stadtwerk Winterthur als Endverteilerin im Jahr 2019.(5) Dabei wurde ein Liefervertrag über 20 Jahre für die Lieferung von Strom aus Wasserkraft über 50 GWh abgeschlossen. Die Stadt Winterthur sicherte sich damit den Zugang zu erneuerbarer Energie, die mengenmässig rund zehn Prozent des damaligen Stromverbrauchs entsprach. Die Motivation begründete sich aufgrund der energiepolitischen Ziele der Stadt Winterthur und der Diversifizierungsziele im Beschaffungsportfolio aus Sicht beider Parteien, um das Risiko von Marktpreisschwankung zu reduzieren.

4. Vorgaben des neuen Mantelerlasses

Mit dem vom Parlament verabschiedeten «Mantelerlasses» werden PPA nun für zahlreiche Schweizer Endverteiler, welche über keine relevante Eigenproduktion oder über entsprechende Beteiligungen / Verträge verfügen, verpflichtend.(6) Mit dieser ab 1. Januar 2025 geplanten Gesetzesänderung sollen Verteilnetzbetreiber mit Grundversorgungsauftrag neu verpflichtet werden, eine Mindestquote an Eigenproduktion für die Grundversorgung einzusetzen. Wird diese nicht erreicht, so soll die Quote mit «langfristigen Bezugsverträgen» erreicht werden. Die Höhe dieser Quote wird der Bundesrat in der Verordnung festlegen dürfen. Während der Nationalrat eine Quote von 50 Prozent vorschreiben wollte, ist die konkrete Regelung in der künftigen Verordnung noch offen. Denkbar ist dabei eine abgestufte Erhöhung dieser Quote im Kontext des geplanten Zubaus im Inland und allenfalls auch in Abhängigkeit zur bestehenden Eigenproduktion.

Während die Idee langfristiger Absicherungen mittels PPA sehr zu begrüssen ist, beinhaltet die obige Verpflichtung nun aber mehrere Risiken. Erstens besteht das Risiko, dass PPA zu aktuell hohen Preisen langfristig abgeschlossen und damit die Endkundentarife in der Grundversorgung in wenigen Jahren bereits wieder als deutlich zu hoch empfunden werden. Zweitens besteht nach wie vor eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Marktöffnung im Rahmen einer Einigung mit der EU, welche dazu führen kann, dass sich Endverteiler dann bei abnehmenden Kundenmengen mit zu hohen Bezugspflichten (zu zu hohen Preisen) konfrontiert sehen. Drittens besteht die Gefahr, dass bei einer zu hohen Quote eine Übernachfrage nach PPA erzeugt wird, welche die Preise für erneuerbaren Strom in Inland künstlich erhöht und damit die ersten zwei Risiken zusätzlich erhöht.

Das Ziel stabilerer Preise ist daher mit PPA gut erreichbar. Die Erwartung «günstiger» Preise dürfte – je nach Marktentwicklung und Angebotssituation – jedoch verfehlt werden. Im schlechtesten Fall – vor allem bei mittelfristig wieder stark sinkenden Strompreisen – resultiert gar das Gegenteil. Gestützt wird aber die Nachfrage nach inländischer erneuerbarer Energie, was wiederum entsprechende Investitionsanreize setzt. Entsprechend gilt es in Bezug auf PPA einerseits genügend Zeit für die Entwicklung von Angebot und Nachfrage zu geben und andererseits eine ausgewogene Absicherungsstrategie nicht aus den Augen zu verlieren.


 

Verweise

Bildnachweis: iStock, ollo

(1) Vorbehältlich eines Referendums.
(2) Quelle: www.eex.com/de/maerkte/strom-terminmarkt/power-purchase-agreements-hedging.
(3) Vgl. hierzu auch unseren Artikel «Sind Investitionen in erneuerbare Produktion in der Schweiz sinnvoll?» vom 6. Dezember 2019; erhältlich unter www.evupartners.ch.
(4) Medienmitteilung Axpo «Axpo unterzeichnet PPA mit Nestlé Schweiz für Wasserkraftwerk Mauvoisin (09.02.2022).
(5) Medienmitteilung Stadt Winterthur «Strom aus dem Tessin für Winterthur» (15.07.2019)
(6) Vorbehältlich einer möglichen Referendumsabstimmung.

Quellen:

Domenic Keller

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